Hinter dem Tor – Martin S. Burkhardt – Fantasyroman

In »Hinter dem Tor« folgen wir der jungen Lara durch ein Tor in ihrem Internat und betreten die Welt Alea. Die Geschichte beginnt mit einem Klischee und bleibt leider leblos.

Meine Videorezension:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=bZXoZTy99fA

Welt:
Die Welt Alea – eine Parallelwelt zu unserer Erde – ist vollkommen mit Wald bewachsen. Alles Interessante scheint sich in der riesigen Stadt Alea abzuspielen, die jedoch von Soldaten drangsaliert wird. Diese Schutztruppen sind eigentlich dazu da, die Menschen in der Stadt vor den Gefahren aus dem Wald zu schützen. Doch einerseits scheinen diese Gefahren kaum zu existieren und andererseits leiden die Bewohner von Alea mehr unter der Herrschaft durch die Soldaten, als durch die Gefahr von außen.
In diese Welt stolpert die 14-jährige Internatsschülerin Lara. Ist sie auserkoren, die Retterin dieser Welt zu sein? Aber natürlich …
Hier wird auch gleich das erste Problem des Buches klar: Vieles entstammt Klischees oder ist zu vorhersehbar.
Der Grund dafür, dass Lara überhaupt auf das wundersame Internat geschickt wird, ist die Scheidung ihrer Eltern. Zu allem Überfluss spielt aber weder die Scheidung noch einer der beiden Eltern im weiteren Buch eine Rolle. Warum also, wird uns von der Scheidung überhaupt erzählt? Soll es den Charakter von Lara verdeutlichen? Wenn ja, warum denkt dann Lara kein einziges Mal später an diese dramatische Scheidung?
Dies ist nur ein Beispiel für viele Punkte, die in diesem Buch ähnlich gehandhabt werden. Alles wird immer dann aus dem Ärmel geschüttelt, wenn es gerade nötig ist. Doch nichts hat wirklich Einfluss, kein Ereignis scheint von dauerhafter Relevanz zu sein.

Charaktere:
Die Personen, allen voran die Hauptperson Lara (ebenfalls die einzige POV), bleiben leider sehr flach. Nichts bindet den Leser emotional an die Figuren. Leider schafft es der Roman nicht, die Gefahren, die die Charaktere durchstehen müssen, wirklich aufregend und relevant zu schildern. Nicht einmal die Charaktere selbst scheinen wirklichen Anteil an dem Geschehen zu haben. So wirken die Hauptcharaktere nach dem großen Finale so, als kämen sie gerade von einer Teeparty.
Zitat einer der Figuren: »Das war ja viel besser, als ich erwartet habe«, sagte er zufrieden.

Handlung:
Die Verbindung der Erde mit Alea durch ein Tor im Internat ist eigentlich völlig austauschbar. Für die Geschichte ist es vollkommen ohne Belang, ob Lara von der Erde kommt oder nicht. Für die Lösung des letzten Konflikts greift die Geschichte sogar auf die Erklärung zurück, dass Laras Vorfahren vielleicht einmal aus Alea stammten.
Richtig unglaubwürdig wird es, als Lara dieses Tor nach Alea entdeckt. Es steckt in einem Raum am Ende eines für jeden zugänglichen (lediglich für Schüler verbotenen) Ganges. Der Zugang zu diesem Raum ist unverschlossen und das Tor, das wie ein Garagentor geformt ist, lässt sich einfach öffnen, wenn man einen roten Knopf drückt.
Ist ja nicht so, dass ein Tor in eine andere Dimension hier auf der Erde so viel wert wäre, dass dafür Kriege ohne Ende geführt würden …
Die Erzählstimme des Romans wirkt sehr kindlich und damit für einen erwachsenen Leser etwas naiv, wohingegen die Handlung stellenweise ganz schön brutal wird. Von der Intensität liest es sich wie ein Kinderbuch, von der Handlung will es ein Buch für Erwachsene sein. Deshalb passt es für keinen von beiden.

Sprache:
Leider ist die Erzählweise platt und konnte mich beim Lesen überhaupt nicht packen. Vor allem hat mich gestört, dass offenbar nicht genug Mühe darauf verwendet wurde, treffend zu formulieren. Detailarmut und Substantivismus lassen die Sprache unhandlich und lieblos erscheinen.

Fazit:
Leider eine leblose Geschichte, die mich nicht packen konnte.
Einen Stern extra gibt es nur für die Handvoll spannender Ideen, die der Autor eingebaut hat. So fand ich das Waldwasser und die Raubwehre ganz cool (siehe meine Videorezension).

Der Drang mit dem Zwang

Neulich habe ich einen packend geschriebenen Artikel in der neuen Federwelt (Ausgabe 111; April/Mai 2015) gelesen, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Nina George (aktuell: Das Lavendelzimmer, Knaur) schreibt darin über Deadlines und den Druck, den sie aufbauen.

Landläufig kursiert die Meinung unter den Kreativen, dass ein Abgabetermin die Schreibmuskeln antreibt und den Autor beflügelt, unter ein Manuskript oder eine Geschichte früher ein Ende setzen zu können. Ich selbst habe schon mehrmals am eigenen Leib erfahren, dass gesteckte Ziele den Schreibfluss rasant fördern können.
Laut dem Artikel scheint dies auch bei Nina George für Kurzgeschichten super zu funktionieren. Sie erzählt, dass sie jeden Text unter 15.000 Zeichen am Tag der Abgabe schreibt. So verhindere sie, um den Kern der Geschichte herumzureden.
Bei längeren Texten hat die Autorin aber eine andere Erfahrung gemacht. Der Druck, der einerseits durch die engen Abgabetermine der Verlagsverträge, andererseits aber auch durch den gleichzeitigen Anspruch an sich selbst nach Perfektion entstehe, töte die Kreativität. George umschreibt das mit einem sehr schönen Bild: »Die ständige Pistole auf der Brust der Kreativität bringt sie um.«

Ich für meinen Teil muss zugeben, dass sich meine Erfahrungen mit Abgabeterminen bislang auf Kurzgeschichten-Ausschreibungen beschränken. Ich kann aber das Gefühl von Nina George gut nachvollziehen, sich gehetzt zu fühlen und dabei nicht die beste Geschichte zu schreiben, sondern stattdessen die schnellste.
Vielleicht sollten wir alle von Zeit zu Zeit vom Gas gehen und zurückblicken. Verfolgen wir eigentlich immer noch denselben Weg, zu dem wir aufgebrochen sind? Oder sind wir in der Hektik schon vor einigen Meilen falsch abgebogen?

Wie ist das bei Euch? Wie erlebt Ihr Abgabetermine? Und lasst Ihr Euch von ihnen schrecken?

Immer genug Muße zum Lesen
und lasst Euch nicht stressen!

Euer Dominik Schmeller