In Grauwacht tauchen wir ein in die Nacht einer Welt, die konsequent anders ist, als unsere Erde. Wird es Krieg geben zwischen den Menschen und den amphibienhaften Sasseks? So unterschiedlich diese Rassen sind, so unterschiedlich sind ihre Lebensarten. Leben die Sasseks doch im ewigen Tag, während sich die Menschen durch die bitterkalte Dunkelheit der Nacht kämpfen müssen.
Meine Videorezension:
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=-1MWDSJsLnc
Handlung
Das Buch beginnt mit Remon, der Besuch von der Guardista Vorena bekommt. Schnell wird klar, dass Remon ein Eidbrecher ist. Er war ebenfalls ein Guardista, hat die Grauwacht aber für seine Frau Nata verlassen. Zusammen haben sie inzwischen eine Tochter.
Die Grauwacht kann man aber nicht so einfach verlassen, denn jeder Guardista bekommt das seltene Nabo, eine mächtige Substanz, die den Körper vor Verletzungen – auch schweren – schützt und die Kämpfer dadurch stärker macht. Dieses Nabo ist begrenzt, sodass nur einige Hundert Guardista überhaupt existieren können. Jeder, der die Grauwacht verlässt, nimmt also jemand anderen den Platz weg. Zusätzlich ergibt sich so die Gefahr, dass derjenige draußen in der Wildnis stirbt und das Nabo somit für die Gemeinschaft verloren ist.
Dies ist nicht das einzig geniale Konzept, dass Robert Corvus in diesen Roman gepackt hat.
Doch zurück zur Handlung:
Vorena zwingt Remon, mit ihr auf die Suche nach einem verschollenen Guardista zu gehen. Wenn die beiden ihn gefunden haben, soll Remon vor ein Gericht gestellt und für seinen Verrat zu Tode verurteilt werden. Im Laufe der Suche der beiden lernen wir die faszinierende Welt Bisola weiter kennen (siehe unten bei Welt).
Der Auftrag endet nicht so, wie Vorena sich das vorgestellt hat und sie ist Remon einen Gefallen schuldig. Also muss sie ihn ungestraft laufen lassen.
Hier beginnt die eigentliche Geschichte, denn Remon muss nun seine Frau und seine Tochter finden, die ihre heimatliche Gemeinschaft verlassen haben, da sie Remon für tot hielten.
Hier kommt nun der erste große Plottturn (also Wendepunkt) der Geschichte und es ist beileibe nicht der Letzte. Die Geschichte wandelt sich öfter als ein Chamäleon.
Wir folgen Nata, die in die Metropole Oculor aufbricht, um dort mit ihrem Vater, einem weisen Sabo zu sprechen, um mehr über die merkwürdige Veränderung der beiden Monde des Planeten herauszufinden. Doch auch dort verläuft beileibe nicht alles so, wie geplant.
Wird Remon Nata wiederfinden oder wird er doch noch von der Grauwacht gestellt und hingerichtet? Was hat es mit der Veränderung der Monde der Welt auf sich?
Diese und viele andere Fragen treiben den Leser weiter. Das Buch hat jede Menge Drive und entwickelt sich ab ca. 100 Seiten zu so etwas wie einem Pageturner. Zumindest soweit dies im Fantasybereich möglich ist.
Charaktere
Wie in vielen Büchern von Robert Corvus erleben wir die Welt aus der Sicht von vielen Protagonisten. Hier will ich mich auf diejenigen beschränken, die schon zu Anfang eine größere Rolle spielen, um den Fortgang der Geschichte nicht zu stark zu verraten.
Remon ist ein Abtrünniger, der für die Liebe die Grauwacht verlassen hat. Er ist eine starke Persönlichkeit und setzt seine durch das Nabo verliehene Stärke dafür ein, seine Gemeinschaft bei der Jagd bestmöglich zu unterstützen.
Als Vorena ihn findet, fügt er sich dem Unvermeidlichen, hört aber niemals auf, seine Familie zu lieben und für sie zu kämpfen.
Vorena ist eine prinzipientreue Frau, die in der Grauwacht als zänkisch verschrien ist. Sie sagt, was sie denkt und hält an Ehre und Treue in jeder Situation fest.
Nata ist die Tochter eines Sabo, die für die Liebe (Remon) die Sicherheit der Metropole Oculor aufgegeben hat, in der niemand frieren oder hungern muss. Dadurch zeigt sich, wie stark ihre Liebe zu Remon ist. Doch gleichzeitig ist Nata eine kluge Frau, die sich auf die Spur eines großen Rätsels setzt, um herauszufinden, was es mit der Veränderung ihrer Welt auf sich hat. Ein bisschen Schade finde ich den Versuch des Autors, diese Suche mit der Angst von Nata vor dieser Veränderung zu erklären. Die wissenschaftliche Neugier dieser Frau erscheint mir doch sehr stark und für mich wäre dies eigentlich glaubwürdige Motivation genug.
Welt
Das Setting der Geschichte ist sicher das, was den Roman ausmacht. Wir erleben eine Welt, die zweigeteilt ist. Der Tag-/Nachtzyklus läuft sehr langsam ab. So gibt es eine Seite des Planeten, die sehr lange im Licht, eine andere Seite, die sehr lange in Dunkelheit liegt. Daraus folgen dann natürlich auch die entsprechenden Temperaturen von glutheiß bis eiskalt.
Hier zeigt sich die Qualität des Autors, der ohne zu Zögern sämtliche Konsequenzen zieht, die aus diesem Setting folgt. Dies macht den Roman wahnsinnig glaubwürdig.
Die gesamte Gesellschaft auf dem Planeten ist ständig auf Wanderschaft. Die Menschen bleiben in der Nacht, die Sasseks im Tag. Dadurch entsteht natürlich ein Wechsel an den Grenzen, den die Grauwacht hütet. Offenbar gibt es ein altes Abkommen, das all dies regelt.
Die Welt erscheint mir ein bisschen wie eine Fantasy-SciFi-Mischung, denn es gibt auch Schutzschilde und andere Gerätschaften, die mir eher in eine zukünftige Welt passen. Doch dies alles wird vom Autor sehr glaubwürdig verwoben.
Eine weitere tolle Idee ist das Nabo. Ich habe dazu oben schon etwas geschrieben. Es macht die Grauwacht nicht nur interessant, es wirft Remon auch in ein Dilemma, aus dem es keinen einfachen Ausweg gibt. Und weil der Autor eben für seine Konsequenz bekannt ist, habe ich während des Lesens schon sehr um den Mann bangen müssen.
Durch das Einführen eigener Entfernungs- und Zeitangaben wird die Welt noch lebendiger. Strecken werden in Clicks gemessen, was auf mich auch wieder einen eher SciFi-Charakter hat.
Besonders gefallen hat mir aber auch die Zeitmessung. Sie beruht vollständig auf den Monden, die den Planeten umgeben. So gibt es einen Doppelmond, der wohl in etwa einem Jahr entspricht, und dann die Umläufe der beiden Monde. Dabei braucht einer der Monde (Mezza) sehr viel länger als der andere (Dya), sodass sich vielfältige Zeitenteilungen ergeben. Dies alles ist wunderbar in die Geschichte integriert und macht sie sehr stimmungsvoll.
Doch dies sind nicht alle Idee, die der Autor in das Buch gesteckt hat. An jeder Ecke erwarten den Leser neue Einfälle und es scheint, als lese man nicht nur diese eine Geschichte, sondern als stöbere man in einer ganzen, reichhaltigen Bibliothek.
Sprache
Der Schreibstil von Robert Corvus ist mir schon aus seinen anderen Büchern bekannt. Er ist nicht verschnörkelt und liest sich genau so, wie ich es gerne habe. Besonders bei Kämpfen bemerkt man, wie tief sich der Autor mit der Materie beschäftigt hat. Er beschreibt wunderbar die verschiedenen Bewegungen. Ich persönlich bin kein Fan von langen Kampfbeschreibungen, auch wenn sie in Fantasybüchern dazugehören, doch es ist schön, wenn man merkt, dass der Autor weiß, wovon er spricht.
Die konsequente Umsetzung der Welt kommt auch in der Sprache gut rüber.
Ab etwa der Mitte des Buches können wir sogar einen Blick in einen Sassek werfen. Dem Autor gelingt es unglaublich gut, dieses fremde Volk glaubwürdig zu machen und die Welt der Menschen auf Bisola aus den Augen der Amphibie zu beschreiben. Es machte sehr viel Spaß diese Stellen zu lesen.
Fazit
Ein genialer Roman, bei dem ich den Moment gefürchtet habe, in dem ich den letzten Satz lese. Charaktere, Setting und Plot sind sehr glaubwürdig umgesetzt. Es gibt so viele Wendepunkte, dass es nie langweilig wird und man jedes Mal einen anderen Aspekt dieser tollen Welt erforschen kann.
Die Bücher des Autors sind alle sehr gut, doch dieser Roman war mit Abstand das Beste, das ich bisher von ihm gelesen habe.
Immer genug Muße zum Lesen
Euer Dominik Schmeller